Vita
„Ein flüchtiger Augenblick von Licht, Schatten, Farbe und Fläche ist Auslöser für die Bildidee. Dieser Moment verändert sich in der malerischen Umsetzung, denn Farbe und Stimmung sind wichtiger als eine genaue Wiedergabe.
Aus dem äußeren Bild wird beim Malen ein eigenes inneres Bild.“
Frauke Weldin.
1969 geboren in Northeim, aufgewachsen in Münster, Berlin und Nordhorn;
seit 1989 lebe und arbeite ich in Hamburg
1997-2002 Studium an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg mit dem Studienschwerpunkt Illustration; in den Farbe und Form-Kursen bei Eun Nim Ro, Jadranko Rebec, Jaakov Blumas und Hinnerk Bodendieck fand eine intensive Auseinandersetzung mit der Malerei statt
Seit 2002 bin ich freischaffend als Illustratorin für verschiedene Verlage und Auftraggeber im Kinderbuchbereich tätig (NordSüd, Oetinger, Carlsen, Herder, arsEdition, Ravensburger u.a.)
Neben den Illustrationsaufträgen entstehen viele Bilder und Reihen zu eigenen Themen, die hier zu sehen sind.
Ich arbeite mit Acryl auf Leinwand oder Malpappe, ein fester mit Leinwand überzogener Karton.
Und jetzt lasse ich Reinhard Prüllage – 1. Vorsitzender der Nordhorner Sägemühle und selbst Künstler – über meine Arbeit und mich sprechen.
Zur Vernissage meiner Ausstellung andernorts am 26.01.2020, hat er unser vorheriges Gespräch wunderbar in seiner Rede aufgegriffen und auch mir durch seinen Blick eine neue Perspektiven auf meine Arbeiten gegeben.
»Herzlich Willkommen meine Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst, liebe Künstlerinnen und Künstler… .
Herzlich willkommen an diesem Ort, an dem nach wie vor ein frischer Wind weht und dafür Sorge trägt, daß Sie immer wieder Neues zu sehen bekommen. Neues, das sicherlich genauso wenig wie das Buch veraltet…. .
Aber ich kann Sie beruhigen, es ist mehr als eine Manie, daß ich meine Begrüßung wieder mit einem Gedicht – diesmal von Gernhardt* – wieder mit dem Thema Buch eröffnet habe, denn unser ganz besonderer Gast, den ich heute hier im Namen aller Sägemüllerinnen und –müller begrüßen möchte, ist nicht nur eine Künstlerin, die uns ihre Werke zeigt, es ist auch eine Frau, die dem Buch eng verbunden ist. Hat sie doch eine Ausbildung als Buchhändlerin absolviert bevor sie ihren Herzenswunsch – einem Kunststudium - nachgegangen ist.
Und hat auch als Künstlerin das Thema Buch nie aus den Augen verloren. I
llustriert heute immer wieder Kinderbücher für bekannte Verlage wie Carlsen, für NordSüd, für Herder, für die arsEdition und für viele andere. Und sollten Sie noch Kinder oder auch Enkelkinder haben, denen Sie gelegentlich vorlesen , wird Ihnen vielleicht die Weldin’sche Handschrift in Büchern über Herrn Hase und Frau Bär, über den kleinen Wal oder in der Kinderbibel ….. bereits häufiger begegnet sein.
Diese Handschrift, die sie in den Jahren 1997 bis 2002 an der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften im Fach Illustration erlernte. Diese Handschrift, deren Wurzeln die gebürtige Northeimerin in Nordhorn in Aquarellkursen bei Professor Wolf Wrisch und in Aktzeichenkursen bei Hannes Hiller legte. Denn hier in Nordhorn, am Stadtring Gymnasium, hat sie ihr Abitur mit dem Leistungskurs Kunst [bei Thomas Kern] abgelegt. Bevor sie sich auf den Weg nach Hamburg in ein neues Leben machte.
Diese Handschrift, die Sie aber nicht nur in den Illustrationen, sondern transformiert in anderen Dimensionen auch in Ihren Malereien wiederfinden werden.
Denn neben den reinen Auftragsarbeiten finden auch viele Bilder zu ihren eigenen Themen und Reihen ihren Niederschlag auf der Leinwand und auf dem Papier. Wobei oftmals bestimmte Licht- und Schattensituationen als Auslöser, als Trigger ihrer Schöpfungskraft fungieren und funktionieren.
Und so wird dann, wie sie selbst über ihr Schaffen schreibt, aus dem äußeren Bild beim Malen ein eigenes inneres Bild auf der Leinwand. Gehe es doch nicht um eine genaue Wiedergabe, sondern um Stimmung, um Farbe.
Vor 12 Jahren, 2008, konnte sie hier in der Sägemühle schon einmal ihre Werke einem interessierten und begeisterten Publikum unter dem Titel „Von Schiffen und Schafen“, dank der Vermittlung durch die Sägemüllerin Anne Cassens, präsentieren. Damals waren es Kinderbuchillustrationen und freie Arbeiten.
Heute zeigt sie uns unter dem Titel andernorts ausschließlich größerformatige Malereien auf Leinen.
Landschaftsbilder, die irgendwo in Deutschland vorgefunden, gesehen wurden und als emotional aufgeladenes optisches Datenbündel Eingang in den Kopf der Künstlerin gefunden haben.
Und diesen schöpferischen Kopf aufgelöst, abstrahiert, getönt und transformiert per Pinsel auf Leinwand wieder verließen.
Als neu attributierte, ja neugeschaffene Landschaft, und zum Teil sogar als rein abstraktes Farbenspiel, losgelöst von dem geographischen Ursprung, überall, also auch Andernorts sein können. Auch wenn sie in dieser Ausstellung gewissermaßen als doppelten Boden mit der Titelgebung einen Verortungsanker ausgeworfen hat.
Es sind doch scheinbar schlichte, mit dem Detail geizende, auf Farben und Licht reduzierte Landschaften, die den von Paul Klee im folgenden Gedicht genannten Fehler meidend, eine fast unerschöpfliche Orgie in Blau und Grün und ein klein wenig Braun bieten. Der Maler und Gelegenheitsdichter Klee schrieb:
Reduktion!
Man will mehr sagen
als die Natur
und macht
den unmöglichen Fehler,
es mit mehr Mitteln
sagen zu wollen als sie,
anstatt mit weniger Mitteln.
Das Licht
und die rationellen Formen
liegen im Kampf,
das Licht bringt sie in Bewegung,
biegt gerade,
ovalisiert parallele,
dreht Kreise in die Zwischenräume,
macht den Zwischenraum aktiv.
Daher die unerschöpfliche
Mannigfaltigkeit.
Paul Klee, 1908
Eine Mannigfaltigkeit, die Frauke Weldin schichtweise in langen Arbeitsprozessen auf die Leinwand brachte. Schichtweise bringt sie, beginnend mit einer Grundierung in der dunkelsten im Bild aufscheinenden Farbe, immer wieder neue Farbschichten auf den Bildträger und läßt so langsam die Strukturen und Details erscheinen.
Fast umgekehrt zu den Bildern in den Entwicklerschalen früherer Fotografen, in denen durch Herauslösen von Silber aus der Trägerschicht langsam Bilder entstanden.
Nachvollziehen läßt sich dieser Ursprung, an den Kanten der rahmenlosen Leinwände, denn hier bleibt die Ursprungsfarbe, der Grundton, der farbige Boden, dem das Bild entsproß, erhalten, soll doch, so die Künstlerin, das prozesshafte ihres Arbeitens immer sichtbar sein.
Ein Schöpfungsprozess, ja eine Metamorphose, die bei den Bildern der Wildgänse, die jedes Jahr über ihr Haus in Hamburg ziehen, besonders drastisch deutlich wird.
Ist doch hier die ursprünglich fast schwarze Farbe im eigentlichen Bild nur noch punktuell bei den Gänsen sichtbar. Bei diesen Vögeln, die sich den tatsächlichen optischen Größenverhältnissen entsprechend im hellblauen bis grauweißen Himmel fast verlieren und so als fast abstrakte Malerei doch wieder den Bogen zu einer naturalistischen, durch den Filter der Seele transformierten Wiedergabe von Welt schlagen.
Ganz den Worten Ernst Ecksteins, eines 1900 gestorbenen, heute längst vergessenen Journalisten, Feuilltonisten, Schriftstellers und Dichters folgend, der in einem Appell an die Künstler dichtete:
Ob du hoch im Abendrothe
Auf dem Grat der Firnen schweifst;
Ob du tief im Dampf der Schlote
Nach dem Grau der Erde greifst –
Ob du Himmelsglück entfaltest
Oder bang im Leide wühlst:
Fühle Freund, was du gestaltest
Und gestalte, was du fühlst!
Ernst Eckstein
Und ganz in diesem Sinne möchte ich Sie, liebe Gäste dieser Ausstellungseröffnung auffordern, mit weit geöffneter Seele all die hier versammelten, von Frauke Weldin geschaffenen Orte, als optisch-emotionales Datenbündel durch die Linsen Ihrer Augen aufzunehmen und transformiert im Dialog mit Ihren Erfahrungen und Ihren Gefühlen zu speichern.
Sind es doch Themen und Bilder, die den eingangs zitierten Büchern entsprechend niemals veralten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.«
* Robert Gernhardt Ums Buch ist mir nicht bange